Die Meerbuscherin war in der Schweiz und in Deutschland in Kliniken als Krankenschwester für Anästhesie und Intensivpflege tätig. Heute berät sie Kliniken und Heime zu der Frage, wie sie Pfleger finden und erhalten können. Wir haben mit ihr über die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Branche gesprochen.
Meerbusch
Ein Artikel der Rheinischen Post vom 15. April 2020
Andrea Lehwald hat 20 Jahre im Pflegebereich gearbeitet. Die Branche könnte von der Krise profitieren, glaubt sie.
Frau Lehwald, was ist das größte Problem der Pflege?
ANDREA LEHWALD Der Beruf gilt als unattraktiv. Er hat ein Image-Problem und es fehlt der Nachwuchs. In zehn bis 20 Jahren wird sich der Mangel an Pflegekräften aufgrund der demographischen Entwicklung verschärfen.
Ist die geringe Bezahlung verantwortlich für das schlechte Image?
LEHWALD Das ist natürlich ein Faktor. Die Arbeitszeiten sind ein weiteres. Es gibt in der Pflege Wechselschichten, man arbeitet am Wochenende, muss immer wieder einspringen. Das Privatleben bleibt auf der Strecke. Das ist für junge Menschen ein großer Nachteil, sie ticken anders als die Generationen vor ihnen. Der Beruf ist bei den Jüngeren deswegen praktisch out.
Die Meerbuscherin war in der Schweiz und in Deutschland in Kliniken als Krankenschwester für Anästhesie und Intensivpflege tätig. Heute berät sie Kliniken und Heime zu der Frage, wie sie Pfleger finden und erhalten können. Wir haben mit ihr über die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Branche gesprochen.
Frau Lehwald, was ist das größte Problem der Pflege?
ANDREA LEHWALD Der Beruf gilt als unattraktiv. Er hat ein Image-Problem und es fehlt der Nachwuchs. In zehn bis 20 Jahren wird sich der Mangel an Pflegekräften aufgrund der demographischen Entwicklung verschärfen.
Ist die geringe Bezahlung verantwortlich für das schlechte Image?
LEHWALD Das ist natürlich ein Faktor. Die Arbeitszeiten sind ein weiteres. Es gibt in der Pflege Wechselschichten, man arbeitet am Wochenende, muss immer wieder einspringen. Das Privatleben bleibt auf der Strecke. Das ist für junge Menschen ein großer Nachteil, sie ticken anders als die Generationen vor ihnen. Der Beruf ist bei den Jüngeren deswegen praktisch out.
Wie kann man Pflege aus Ihrer Sicht attraktiver machen?
LEHWALD Sie muss aufgewertet werden. Die Bezahlung muss unbedingt angehoben werden. Man muss aber auch mehr Werbung für die Pflege machen. Man hört fast nur Horrorgeschichten über den Beruf. Der Stress, die langen Arbeitszeiten, das kommt sehr häufig in den Medien vor. Gerade die jungen Menschen sehen das und nehmen Abstand davon.
Aber Sie sagen doch selbst, dass der Beruf auch ernsthafte Probleme hat. Das kann man nicht nur mit mehr Werbung lösen, oder?
LEHWALD Nein, aber man müsste aufklären. Auch schon in den Schulen. Es wäre sinnvoll, wenn Krankenhäuser Einblicke gewähren. Wenn man jungen Menschen nahe bringen könnte, was man in diesem Beruf alles machen kann – verschiedene Fachrichtungen, Arbeit im OP-Raum. Pflege ist viel mehr als nur Menschen waschen. In der Intensivmedizin sind Pfleger für Menschenleben verantwortlich.
Was sind die positiven Seiten des Pflegeberufs, die Ihnen in der öffentlichen Wahrnehmung zu kurz kommen?
LEHWALD Der Pflegeberuf ist etwas für sozial eingestellte Menschen. Solche Menschen gibt es durchaus noch. Die Pflege gibt einem auch sehr viel. Man hat auch wie gesagt viel Verantwortung, das wird oft unter den Teppich gekehrt.
Gerade in der aktuellen Situation ist der Stress in der Pflege noch größer als ohnehin schon, oder?
LEHWALD Ja, in einigen Kliniken sind schon Menschen in Quarantäne geschickt worden. Momentan ist es bei uns in Nordrhein-Westfalen so, dass viele Kliniken noch in einer Warte-Position sind. Der Ansturm von Patienten ist noch nicht da. Aber wenn wir dann an unser Limit kommen, könnte es schwierig werden.
Es sind gerade Sonderzahlungen für Pfleger im Gespräch. In Bayern sollen das 500 Euro sein, es wird auch über eine bundesweite Prämie von 1500 Euro diskutiert. Was halten Sie davon?
LEHWALD Das ist grundsätzlich eine gute Sache. Besser wäre, wenn der Beruf insgesamt und dauerhaft besser bezahlt wäre. Ein Bonus ist schön, das ist ein Anreiz, aber man muss langfristig denken, um die Nachwuchsprobleme zu lösen. 500 Euro sind ein Tropfen auf den heißen Stein.
Was können die Arbeitgeber wie Krankenhäuser oder Pflegeheime tun?
LEHWALD Es ist nicht nur ein politisches Thema, auch intern muss sich etwas ändern. In den meisten Krankenhäusern bleiben die Pfleger keine zehn Jahre im Beruf. Durch die Überlastung und das schlechte Klima scheiden sie aus. Man muss eine bessere Arbeitsplatzkultur schaffen. Man muss die interne Zufriedenheit schaffen, indem man mehr auf das Personal eingeht, flexible Arbeitszeiten ermöglicht, offen mit Pflegern kommunizieren. Da gibt es diverse Möglichkeiten.
Am Anfang der Krise haben Menschen in einigen Städten auf ihren Balkons für Ärzte, Polizisten und auch Pfleger geklatscht. Wie kam das bei Ihnen an?
LEHWALD Applaus ist natürlich schön, aber damit kann man nichts kaufen. Es muss insgesamt eine größere Wertschätzung für den Beruf geben.
Glauben Sie, dass sich durch die Krise die Lage der Branche zum Positiven verändern wird?
LEHWALD Ich denke, das hängt ganz stark davon ab, wie sich die Situation entwickelt. Ich hoffe es sehr, dass sich etwas verbessert. Dieser intensive Blick darauf könnte dazu führen, dass man sieht, was diese Menschen leisten – und dass ihr Job besser honoriert werden muss. Es könnte aber natürlich sein, dass die Kurve abflacht und sich in der Branche nichts ändert. Es ist zu hoffen, dass die Krise schnell vorbeigeht. Aber man darf die Pflege und Gesundheitsberufe darüber nicht vergessen.